Die Schule für besonders begabte SchülerInnen in Mathematik/ Naturwissenschaften/ Informatik des Großraums Leipzig

Oder: Wie oft kann man das Wort "Ostwald" in einem Artikel unterbringen, in dem es eigentlich um Fußball geht - ohne dass es auffällig wird?

 

Es war ein Jahr voller harter Arbeit. Zwei Hausaufgabenrunden, eine einwöchige Olympiade und ein viertägiges Auswahlseminar waren zu bewältigen. Und das alles nur für ein einziges Ziel: Die Universität zu sehen, an der Wilhelm Ostwald studierte und seine akademische Laufbahn begann.

Oder: Es war ein Jahr voller harter Arbeit. Zweiunddreißig Spiele waren zu spielen, neun konnten gewonnen werden, sieben endeten unentschieden. Sechzehn Niederlagen waren wegzustecken. Und das alles nur für ein einziges Ziel: Die Champions League zu erreichen. Nun ja, etwas später im Verlauf der Saison für ein etwas anderes, aber immer noch einziges Ziel: Die Klasse zu halten, in den verbleibenden beiden Spielen möglichst nichts an der Zahl der Niederlagen zu ändern.

Die diesjährige EUSO (European Union Science Olympiad) fand in Estland statt. 144 Schüler aus 23 Ländern trafen sich am Samstag, den 7. Mai, in Tartu, allerdings nicht (wie man vermuten könnte), um zusammen Bundesliga zu schauen, sondern in erster Linie, um eine Menge Spaß zu haben. Was sich zwar nicht ausschließt, für einen Werder-Bremen-Fan aber auch nicht zwingend das gleiche ist. Empfangen, unterhalten, beraten, betreut, versorgt, aber nicht gebändigt wurden wir von wirklich umwerfenden Betreuern aus Estland und Österreich.

Die ersten vier Tage nach Ankunft enthielten dann die beiden Klausuren, welche in Mannschaften zu je drei Schülern stattfanden. Da jedes Land mit zwei Mannschaften teilnimmt, waren neben uns beiden Ostwaldianern noch vier andere deutsche Schüler vertreten: ein Physiker aus Weimar, ein Chemiker aus Erfurt und zwei Biologen aus Biologien.

Das Ziel der Klausuren war klar: Mehr Punkte holen als Eintracht Frankfurt in den beiden Spielen, die während unserer Abwesenheit stattfanden. Im deutschen Team herrschte gedämpfter Optimismus vor, schließlich musste Frankfurt am letzten Spieltag gegen einen übermächtigen Gegner antreten. Außerdem gab es in beiden Klausuren jeweils 120 Punkte, womit der "Dreier" quasi schon mit dem Tragen einer Schutzbrille eingefahren werden konnte. Was natürlich nicht infrage kam. Wann hätte Werder schließlich je die einfachen Aufgaben gelöst? So mussten wir schon Schaltkreise aufbauen, Batterien herstellen, Bakterien untersuchen, titrieren, mikroskopieren und die Ergebnisse mit Excel verarbeiten und grafisch darstellen. Trotzdem blieb noch genügend Zeit, die in den Laptops integrierten Kameras für nichtakademische Zwecke zu nutzen oder die Excel-Tabellen mit Zufallszahlen zu füllen.

Dies war aber auch der gesamte Teil, der lose mit "Arbeit" assoziiert war. Der Rest bestand aus Freizeit in der Tartuer Innenstadt und Exkursionen, beispielsweise an den größten Binnensee Estlands, wo wir den See und den umgebenden Wald in zwei Gruppen kennenlernten: Während die Iren und Letten im westlichen Teil des Naturparks unterwegs waren, schauten wir uns mehr im Ostwald um. Besuche im Naturkundemuseum und im Luftfahrtmuseum dienten nur der Steigerung der Spannung. Alles fieberte auf den Höhepunkt der EUSO hin.

Und dann war es soweit. Bei einem Rundgang durch die Tartuer Innenstadt sahen wir sie: Die prunkvolle, gigantische, reich verzierte Gedenktafel zu Ehren des größten Wissenschaftlers Europas. Ein wahrlich erhebender Moment. Nach einem Foto ging es weiter mit der Besichtigung der Innenstadt.

Die estnische Bevölkerung reagierte verunsichert auf diese ungewohnte Herausforderung, aber das ist auch kaum verwunderlich, wenn fremdartige junge Leute sehr offensiv ihre estnischen Sprachkenntnisse zeigen und diese ausschließlich aus dem Satz "Ich bin eine Kugel Vanilleeis" bestehen. Somit war es nur folgerichtig, dass wir nach vier Tagen überstürzt aufbrechen mussten. Glücklicherweise standen die Fluchtwagen (fünf Reisebusse) schon bereit, sodass wir zwei Stunden später in der Mensa der Universität Tallinn saßen und typisch estnisches Mittagessen genossen. Wie jeden Tag gab es Kartoffeln, Mischgemüse und Reis.

Die Universität Tallinn ist sehr gut ausgestattet und international ausgerichtet, es wurden sämtliche Versuche unternommen, uns von einem Studium in Tallinn zu überzeugen. Allerdings ist sie eigentlich unwichtig, was man am Nichtvorhandensein bedeutender Ehemaliger (Ostwald) sieht. Die wesentlichen Argumente waren flächendeckendes WLAN, ein komplett online funktionierendes Staats- und Bildungssystem und die Tatsache, dass die akademischen Grade in Estland "similar to all the other countries" sind. Die Masse der anwesenden Schüler dürfte daher wohl eher auf "all the other countries" zurückgreifen.

Selbstverständlich besichtigten wir auch den Rest von Tallinn. Überraschenderweise war der Altstadt nicht im Mindesten anzusehen, dass Wilhelm Ostwald hier nie gelebt hatte (man vergleiche mit Magdeburg, wo Ostwald ebenfalls nie war). Allerdings wurde sie mehrfach von verschiedenen Ländern erobert.

Am letzten Tag fand die Abschlusszeremonie statt, in deren Rahmen feierlich die Medaillen übergeben wurden. In der Woche vom 7. bis 14. Mai erkämpften

Kai Gipp eine Silbermedaille,

Werder Bremen den dreizehnten Platz sowie

Leo Gitin eine Goldmedaille und den Wanderpokal für den ersten Platz!

Was von dieser Woche bleibt, sind natürlich viele Erinnerungen, neue Freunde, der Klassenerhalt und ein Pokal, der von Schülern gerne abschätzig als "Blumenvase" bezeichnet, von manchen Schulleitern hingegen bisweilen aufwertend als solche verwendet wird. Und natürlich dieser Moment: