Die Schule für besonders begabte SchülerInnen in Mathematik/ Naturwissenschaften/ Informatik des Großraums Leipzig

Eine Stunde nach der Preisverleihung war ich glücklich, denn ich war unter den vier besten Biologen Deutschlands. Dann rumpelte der Paternoster über seinen höchsten Punkt, und die vier besten Biologen Deutschlands waren unter mir. Ich war immer noch glücklich.

Jetzt fragt man sich, warum wir eine Stunde nach der Preisverleihung im Hamburger Finanzamt Paternoster fahren. Die Antwort liegt auf der Hand: Weil es verboten ist. Es ist Freitag, 15 Uhr, und erstaunlicherweise ist in unserem Umfeld an diesem Tag noch nichts verbotenes um uns herum passiert, wenn man von Details absieht. Jetzt fragt man sich: Was ist das, wo haufenweise illegale Dinge geschehen, wo es vegetarisches Essen gibt, wo man nachts über die Reeperbahn zieht? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Biologieolympiade.

"Die pipettieren auch nur mit Wasser"

Am Sonntag fuhren die sechs Teilnehmer dieser Schule viereinhalb Stunden Bahn. Dies war gar nicht so aufregend, wie es klingt. In Kiel angekommen, erwarteten uns zahlreiche junge Menschen, die wir schon kannten, aber auch einige (wenige) Menschen, die wir noch nicht kannten. Die meisten Leute, die wir diese Woche erst kennenlernen sollten, erwarteten uns nicht, sondern wurden urplötzlich mit uns konfrontiert.

Der erste Eindruck spiegelte ziemlich gut unsere ambivalenten Erwartungen an diese Woche wieder: Die Jugendherberge ist in einem sehr internationalen Stil gehalten und von beeindruckender Innenarchitektur, wir haben uns dort gleich sehr wohl gefühlt. Zukünftige Generationen von jungen Biologen sollte man allerdings vor dem Wackelpudding warnen, der vermutlich älter und härter war als die Steine, aus denen die Jugendherberge gebaut ist. Wenn jemand jemals das Bedürfnis hätte, einen Pürierstab sich selbst pürieren zu lassen, sollte er ihn auf diesen Wackelpudding loslassen. Er sollte nur darauf achten, die fossilen Einschlüsse nicht zu beschädigen.

Qualifiziert hatten wir uns für diese Wettbewerbswoche durch unser erfolgreiches Abschneiden in der zweiten Runde der Biologieolympiade, sodass wir schon ein wenig mit den Themen und Aufgabensorten vertraut waren. Daher wussten wir auch, dass die Klausuren schwer werden würden und ein Erfolg hart erkämpft werden musste. Trotzdem waren wir optimistisch und selbstbewusst. "Die pipettieren auch nur mit Wasser", sagten wir uns - bezeichnend, dass nicht einmal dieser Motivationsspruch von uns, sondern aus dem Saarland kam.

"Es gibt zwei Wörter, die dir im Leben viele Türen öffnen: Drücken und Ziehen"

Am Montag gab es etwas zu lernen. Nein, ernsthaft. In sogenannten "Crashkursen" wurden uns grundlegende Kenntnisse über biologische Experimentiermethoden (Physiologie), das Bestimmen von Insekten (Zoologie) sowie die Anfertigung und Auswertung von Pflanzenquerschnitten (Botanik) beigebracht. Für einige war dies dringend nötig, andere waren nur noch nicht allzu vertraut im Umgang mit Hightech-Pipetten, Bestimmungsschlüsseln oder modernen Mikroskopen, nur wenigen dürften diese Crashkurse nichts gebracht haben - zumal es ja reichlich Schokolade gab.

Beim Mittagessen zeigten sich erstaunliche Unterschiede in den Meinungen der Wettbewerbs- und der Kantinenleitung hinsichtlich des Wertes der Essensgutscheine. Die Schüler, die daraufhin etwas bezahlen mussten, bekamen immerhin am nächsten Tag ein Freigetränk (seltsam, dass dies zu diesem Zeitpunkt fast alle waren).

Die Klausuren schienen sehr nett, bestätigten aber bei genauerer Betrachtungsweise sämtliche Befürchtungen. Nett waren sie deshalb, weil es einen sehr hohen Anteil an Rateaufgaben gab: A, B, C, D oder E oder wahr oder falsch. Trotzdem waren die Aufgaben natürlich anspruchsvoll, insbesondere in den drei praktischen Klausuren lief nicht immer alles nach Plan. Ich pipettierte guten Gewissens mit Wasser, während clevere Biologen den Farbstoff Anilinblau benutzten, um ihr Pflanzenpräparat einzufärben. Soviel dazu.
Auch die Zoologieklausur lief nicht besser, wir sollten ein Insekt und eine Miesmuschel bestimmen. Trotz einer starken Lupe waren nicht alle Details offen erkennbar, sie machte das Insekt teilweise nur noch abschreckender. "Beobachte ich das Insekt oder beobachtet es mich?", fragte man sich unwillkürlich, und mit ein bisschen Fantasie schien es fast so, als wolle es sich mit uns verbünden – beispielsweise, zusammen die Muschel zu verspeisen. Es dauerte eine Weile, dem Insekt mit einer Nadel, einer Pinzette und einem Skalpell klarzumachen, dass wir kein Interesse hatten. Als Entspannung besuchten wir den Mediendom in Kiel, in dem es zwei Filme zur Auswahl gab: "Tabaluga" und "Das Universum - Vom Urknall zur Menschheit". Leider wurde in einer demokratischen Abstimmung die Option, die unserem Niveau entsprach, abgewählt, weshalb wir "Das Universum - Vom Urknall zur Menschheit" sahen.

Münchner sind dichter als Hamburger

Am Donnerstag fuhren wir nach Hamburg. Am sogenannten "Eppendorf-Tag" bedankten wir uns bei der Firma Eppendorf, dem größten privaten Sponsor der Biologieolympiade, indem wir während der Betriebsführung nicht einschliefen (die meisten von uns waren furchtbar übermüdet). Eppendorf stellt zahlreiche chemische Laborgeräte her, darunter die erwähnten Hightech-Pipetten, weshalb ein gewisses Grundinteresse an dem Konzern selbst durchaus bestand. Dazu kamen partiell spannende Vorträge, in denen wir lernten, dass die meisten Wissenschaftler der Welt Eppendorf sehr dankbar für ihre Erfindungen sind, dass die Firmengründer wirklich großartig waren, dass Eppendorf der Konkurrenz meilenweit voraus ist und dass auch Musicaldarsteller es im Leben noch zu etwas bringen können (indem sie zu Eppendorf wechseln).

Danach gab es eine ebenso informative wie witzige Stadtrundfahrt, in der der Stadtführer nur mit einer Rechnung für Ratlosigkeit sorgte: "In Hamburg leben 1,8 Millionen Menschen auf 755 Quadratkilometern, also 2300 Menschen pro Quadratkilometer, in München dagegen sind es 1,4 Millionen Menschen auf nur 311 Quadratkilometern, was 4600 Menschen auf einen Quadratkilometer macht." - Wollte er uns ernsthaft erklären, dass Bayern dicht sind? Neben uns wurde die Anzahl der Punkte in den Klausuren geschätzt, während wir uns durch ein Focus-Heft durchlangweilten. Deprimierend war die Erkenntnis, dass wir vermutlich weniger Punkte in den Klausuren als in einem Selbsttest für unser Herzinfarktrisiko hatten. Mit anderen Worten: Eher hätte ich einen Herzinfarkt bekommen als in die vierte Runde einzuziehen. Ein Glück, dass letzteres nicht passiert ist.

Drei Leipziger unter den besten 13!

Die letzte Nacht war typisch: Lang, lustig und über ganz Hamburg verstreut. Es gab wenige Situationen, in denen die Betreuer verärgert waren und Strafe androhten, und so folgte, was folgen musste: Die Preisverleihung.

Das Bemühen der Wettbewerbsleitung, uns einzureden, wir wären aufgeregt, war deutlich erkennbar. Allerdings waren die meisten es nicht. Die Preisverleihung war exakt so, wie man sie sich vorstellt und wie alle Preisverleihungen sind, mit einer Ausnahme: Der Festvortrag war interessant. Ein extra aus Dresden angereister Klimaforscher fulminierte mit der Leistung, ein an sich sehr abgenutztes Thema (Klimawandel) spannend und mit neuen Informationen zu präsentieren. Dann wurde es spannender.

Tatsächlich sind nicht null, nicht einer, nicht zwei, nein - drei Leipziger unter den besten dreizehn Biologen Deutschlands! Dieses herausragende Ergebnis wird leider dadurch getrübt, dass nur zwölf Leute weiter kommen. Dazu gehören

Max Fritz (Platz 5) und Arne Wolf (Platz 11).

Max Conradi musste sich mit dem undankbaren 13. Platz abfinden, es bestehen aber gute Chancen auf einen Nachrückerplatz. Des weiteren nahmen Teil: Jessica Zhao (Platz 20), Simon Koch (Platz 22) und Kai Gipp (Platz 41), der es sehr komisch findet, über sich selber in der dritten Person zu schreiben.
An dieser Stelle könnte man abschließend den Zweck dieser Reise erwähnen, das Ziel, das Arne und Max nun erreicht haben: Im Sommer werden vier Schüler Deutschland bei der Internationalen Biologieolympiade in Hanoi vertreten. Diese werden im April unter den zwölf für die vierte Runde qualifizierten ausgewählt.

Ich habe den Auftrag, deutlich zu machen, dass es sehr viel Spaß gemacht hat und es sich total lohnt, bei der IBO mitzumachen. Auch, wenn diesem Bericht etwas Pathos, etwas Ernsthaftigkeit und etwas Stil fehlt, ist mir das gelungen:

Es hat sehr viel Spaß gemacht und es lohnt sich total, bei der IBO mitzumachen.