Die Schule für besonders begabte SchülerInnen in Mathematik/ Naturwissenschaften/ Informatik des Großraums Leipzig


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Das vierte Türchen meines Adventskalenders war geöffnet, das Kofferschloss verriegelt, alles bereit zum Abflug. Schnell wurde noch die letzte Nachricht von den Eltern beantwortet, dann starte auch schon der Flieger Richtung Stockholm. Dank Jugend forscht und der Ernst A. C. Lange Stiftung hieß es nun für eine Woche der Uni den Rücken zu kehren. Ich tauschte den Alltag gegen eine Teilnahme am Stockholm International Youth Science Seminar, kurz SIYSS. Gemeinsam mit 23 anderen Jugendlichen aus der ganzen Welt erlebte ich die bisher wohl aufregendste Woche meines Lebens. Der krönende Abschluss des Seminars war die Teilnahme an der Nobelpreisverleihung.
Gerade in Stockholm gelandet, wurde ich durch die Organisatoren von SIYSS in Empfang genommen. Im Taxi Richtung Innenstadt tauschte man sich mit Jungforschern aus Russland, den USA und Finnland aus. In jedem Gesicht vermerkte man ein Glitzern in den Augen, denn alle wussten, dass jetzt das Abenteuer beginnt, worauf wir alle Wochen, Monate, wenn nicht Jahre gewartet haben.

Im Hostel angekommen erkundeten wir als Gruppe erst einmal die wunderschöne Altstadt Stockholms und den Palast, neben dem unser Hostel lag. Nach einem kleinen Rundgang lernte man sich bei einer „Fika“ (schwedisch für Vesper) mit den köstlichsten schwedischen Leckereien bis in die Abendstunden näher kennen. Nach einer kurzen Nacht war der Vormittag ganz dem Seminar gewidmet, später mehr dazu. Wir hatten die Gelegenheit unsere Präsentation zu üben, zu verbessern und darüber zu reden wie aufgeregt man denn schon ist. Am Nachmittag haben wir das „Royal Institute of Technology“ besucht, um mehr über die Projekte der anderen zu erfahren. Mit noch mehr Wissen über die Teilnehmer im Gepäck, war es an der Zeit etwas über die Länder aus denen sie stammen zu erfahren. Bei typisch schwedischen Essen haben wir über Sombreros aus Mexico, Kängurus aus Australien und Rentiere diskutiert. Das Highlight: Delikatessen aus jedem Land, wobei ich jedoch feststellen musste: „Kitkat Wasabi“ aus China ist nichts für mich. Team Deutschland brachte einen Christstollen und gebrannte Mandeln mit, die für Begeisterung sorgten. Doch für alle viel wichtiger war die Antwort auf die Frage, ob diese Naschereien von einem Original Weihnachtsmarkt stammen. Was für Deutsche zur Weihnachtszeit einfach dazugehört, ist in allen anderen Ländern der Welt in aller Munde. „Andere Länder - andere Sitten“ trifft es ziemlich gut.

Der nächste Tag startete mit einer Sightseeing Tour durch Stockholm. Dazu kann man nicht mehr sagen als: bezaubernd. Stockholm ist eine wirklich hinreißende Großstadt, die viel Charme ausstrahlt. Eine Reise dorthin ist lohnenswert. Im Anschluss fuhren wir für den Rest des Tages in das Karolinska Institute. In diesen altehrwürdigen Mauern wird jährlich über die Nobelpreisträger in der Kategorie „Medizin oder Physiologie“ entschieden.

Im Institut angekommen haben wir zunächst einen Einblick in die derzeitige Forschung im Bereich der Diabetes erhalten und konnten mit Wissenschaftlern über ihre Arbeit diskutieren. Faszinierend für mich: Hochangesehene Forscher sind absolut interessiert am Dialog mit Jungforschern. Es wurde nach unseren Idee und Meinungen gefragt - ein Ideenaustausch sondersgleichen. Danach schnupperten wir zum ersten Mal Nobelluft. Wir lernten den Sekretär der Nobelstiftung kennen, erfuhren Details über den Nobelpreis und Alfred Nobel selbst.

Anschließend durften wir die Medizinnobelpreisträger bei einer Pressekonferenz näher kennenlernen und mit einigen Fragen löchern.

Um uns das schwedische Feeling, neben IKEA und H&M, näher zu bringen, haben wir am nächsten Tag eine der größten Papierfabriken Schwedens besucht. Dazu kann man erwähnen: Dort wird ausschließlich Papier hergestellt. Sämtliche Qualitäten sind dort verfügbar: Zeitung, Katalog, Flyer, Taschenbücher, alles was das Herz begehrt - für Papierliebhaber das absolute Paradies. Diejenigen, deren Lieblingsmaterial nicht das Papier ist, sind trotzdem auf ihre Kosten gekommen. Da die Fabrik etwas außerhalb von Stockholm lag, konnten wir unseren ersten Schnee genießen. Südafrika trifft auf Schnee! Eine Begegnung, die man einfach mit erlebt haben muss, denn dort ist Schnee so selten wie regenlose Sommer in Deutschland. Nach unserer Lektion in Sachen Papierherstellung besuchten wir die Vorlesung zum Nobelpreis für Literatur. Die Reden der Nobelpreisträger haben in Stockholm Tradition. Leider war Alice Munro krankheitsbedingt nicht anwesend. Die Nobelstiftung machte es trotz alledem möglich einer interessanten Lesung zu folgen, begleitet von einem Interview mit der Autorin.

Auch am nächsten Tag lauschten wir in der Aula Magna der Universität Stockholm den anderen Nobelpreisträgern. Nach einem Presseaufgebot angesichts der Anwesenheit von Peter Higgs, dem Nobelpreisträger 2013 Physik, folgten die wohl spannendsten drei Vorträge an diesem Tag. Die Chemienobelpreisträger haben mit lockeren Präsentationen alle SIYSS-Teilnehmer überzeugt. Der Tag wurde von einem typisch schwedischen Weihnachtsessen gekrönt. Zur Auswahl standen auch die durch IKEA bekannten Hackfleischbällchen. Kugelrund und zufrieden ging es zurück in unser Hostel, wo noch spät bis in die Nacht mit größter Nervosität an den Präsentationen für das Seminar gefeilt wurde.

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Das Seminar - der Teil der Reise, wo wir, die Teilnehmer von SIYSS, uns wie die Großen fühlen durften. Wir standen auf derselben Bühne, wo noch einen Tag zuvor die Nobelpreisträger ihre Vorlesungen hielten.   Nur um einen Einblick in SIYSS zu bekommen: An diesem Tag kommen Schüler aus ganz Stockholm, um unseren Vorträgen zu lauschen - ein wirklich unbeschreibliches Gefühl. Die Vorträge waren eine Zusammenfassung über die Projekte, die uns in internationalen und nationalen Wettbewerben die Tickets nach Stockholm bescherten.Knapp 1000 Schüler seien dagewesen, hat uns unser Hauptkoordinator voller Begeisterung geschrieben. Mit erhobener Brust schritt man nach der Präsentation zu seinem Stand, wo man ganztägig mit interessierten Schülern über die Projekte diskutierte. In einer wirklich angenehmen Atmosphäre hatte man sowohl einen der größten als auch internationalsten Dialoge über die verschiedensten Projekte. Als dieser Tag geschafft war, atmeten alle auf. Jetzt stand nur noch alles im Zeichen der Nobelpreisverleihung.

Die perfekte Einstimmung war am Abend die „Nobel reception“, ein Cocktailabend mit den diesjährigen und ehemaligen Nobelpreisträgern.

Bei Speis und Trank ist es möglich auf Augenhöhe mit Nobelpreisträgern ins Gespräch zu kommen. Ein Event, dessen Einladungen genauso begehrt sind, wie die der Nobelpreisverleihung selbst. Mein Highlight war ein Gespräch mit Peter Higgs, der mit viel Freude von seinem Studium berichtete. Ebenso Michael Levitt, ein ausgesprochen lebenslustiger Mann, der mit voller Begeisterung von seiner Forschung erzählte und mich mit seinen Worten bewegt an der Forschung festzuhalten.
Dann hieß es nur noch einmal schlafen! Wie man gerne sagt - „In aller Hergottsfrühe“ wurden die Mädchen aus den Betten geklingelt: der Friseur wartete. Vier Stunden und 20 Dosen Haarsprays später sind wir in unsere Abendgarderobe geschlüpft. In High Heels stöckelte man zum Platz, wo sonst der Bus auf uns wartete. Doch stattdessen standen dort weiße Limousinen, wie man sie sonst nur aus Hollywood kennt. Von da an wusste man, dass man an diesem Abend in eine Welt eintaucht, die sonst nicht Bestandteil unseres Alltags ist. Das Ziel unserer Fahrt war die Konzerthalle Stockholms. Kein Wort und kein Bild kann die Eindrücke beschreiben, die man dort erhielt. Alle trugen ihre schönsten Roben. Der König und die Königin Schwedens saßen nur ein paar Meter von einem selbst entfernt.
Jedes Mal bekam ich ein wenig Gänsehaut, wenn die Trompeten durch die Halle schallten, der König den Preis überreichte und die Nobelpreisträger mit sichtlicher Zufriedenheit ihre Verbeugungskünste demonstrierten. Nach der relativ kurzen Zeremonie ging es in Bussen gedrängt Richtung Rathaus Stockholm, wo das Nobelbankett auf die Gäste wartete. Im blauen Saal standen die mit Goldbesteck gedeckten Tische bereit. Schwedische Studenten geleiteten zum Tisch, wo handgeschriebene Platzkärtchen einen jeden empfingen - dass wohl heißbegehrteste Souvenir des ganzen Nobeltages. Inzwischen war man in die wirklich königliche Atmosphäre völlig eingetaucht.

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Das Essen war ein wahrer Genuss. Aber natürlich wurde das Essen nicht einfach serviert, nein, es wurde angekündigt durch ein ganzes Aufgebot an Sängern. Durch eine wunderschöne Zusammenstellung an Arien und Songs bereiteten sie mental auf das Essen vor. Wie im Märchen wurde man nach dem Essen in eine goldene Halle zum Tanz geführt. Dort durfte man zu einer Big Band nicht nur den Walzer aufs Parkett bringen. Ab Mitternacht machte sich langsam aber sicher die Aufbruchstimmung im ganzen Saal breit. Immer mehr Menschen fanden sich am Ausgang ein. Dort standen Busse Richtung Königliche Technische Hochschule Stockholm bereit. Was wartete dort auf uns? So wie jedes Jahr organisierten die Studenten der Universität den legendären Nobel Night Cap. Uns wurde es nur vorgestellt als „die Party des Jahres in Schweden“. Mit den Nobelpreisträgern konnte man dort gemeinsam essen, trinken, tanzen. Alles was zu einer guten Party gehört. Auf mehreren Etagen wurde das Tanzbein geschwungen zu Rhythmen aus aller Welt.“. Doch irgendwann war auch diese Party vorbei. Nach und nach stiegen alle völlig übermüdet mit Geschenktütchen ins Taxi Richtung Hostel. Der nächste Tag zog nur noch an mir vorbei: Koffer packen, ab ins Taxi, Flughafen, einchecken und ab nach Hause, wo man wieder vom „normalen Leben“ erwartet wurde.
Wenn ich heute auf die Woche in Stockholm zurückblicke, kann ich getrost sagen, eine der aufregendsten Wochen meines Lebens erlebt zu haben. Ich habe Freundschaften mit Menschen geschlossen, die man wohl sonst nie getroffen hätte. Der Vortrag vor 1000 Schülern - eine Erfahrung, die ich nicht missen will und von der ich wohl noch schwärmen werde, wenn ich in meinem Ohrensessel sitze und 120 bin. Abgesehen davon, dass es wohl nicht nur für mich die längste Englischstunde meines Lebens war.
In diesem Sinn möchte ich mich ganz herzlich bei der Ernst A.C. Lange Stiftung und der Stiftung Jugend forscht e.V. bedanken diese Chance bekommen zu haben. Getreu Wilhelm Ostwald (Chemienobelpreisträger 1909) „Vergeude keine Energie - verwerte und veredle sie“, möchte ich andere Jungforscher dazu auffordern ihrem Forscherdrang nachzukommen und sie für eine Teilnahme bei Jugend forscht motivieren.

Nora Liebmann

 

 

Nora Liebmann, Abiturientin 2013 des WOG, gewann in 2013 bei Jugend forscht eine Reise zur Verleihung des Nobelpreises in Stockholm. Vielen Dank für den Bericht!