Die Schule für besonders begabte SchülerInnen in Mathematik/ Naturwissenschaften/ Informatik des Großraums Leipzig

DDR Geschichte zum Anfassen – die Projektfahrt der 10/1 und 10/3

Der Glaube, es sei unmöglich Geschichte hautnah zu erleben, ist ein Irrtum – wir haben bewiesen, dass es geht! Wie alle zehnten Klassen vor und nach uns sollten auch wir uns mit der DDR-Geschichte auseinandersetzen. Anstatt öde Textbücher umzuwälzen, durften wir waschechte Zeitzeugen kennenlernen, die uns Geschichte an Originalschauplätzen nachfühlen und uns nebenbei ganz viel Spaß haben ließen.

Nach unserer Ankunft in Berlin-Friedrichshain, einem der angesagtesten Viertel der Hauptstadt, wurden wir von einem ehemaligen Republikflüchtling abgeholt, der uns die markantesten Punkte der Mauer lebendig mit Geschichten und persönlichen Erfahrungen erleben ließ. Die Schicksale der Mauertoten waren besonders berührend und sogar die gesprächigsten Schüler schwiegen beim Anhören der Berichte. Bei aller geschichtlichen Forschung kam natürlich auch das Sightseeing nicht zu kurz und so konnten wir schon am ersten Tag Berlin erkunden und das Flair der Hauptstadt genießen.

 

 

Aber wie sah das Leben hinter der Mauer aus oder geschweige denn hinter den Gefängnismauern der Untersuchungshaftanstalten der Stasi? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, fuhren wir zur Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, einem ehemaligen DDR-Gefängnis, bei der wir eine Führung von zwei Zeitzeugen bekamen. Und was wir dort sahen, hatten wir nicht erwartet.

Genslerstraße, ein Ort des Schreckens. Anfangs deutet nichts darauf hin – graue Blöcke neben neuen Häusern, die Geschichte dieses Ortes bleibt beim ersten Hinsehen verborgen. Doch nur ein paar Meter weiter: 4m hohe Mauern, die die Sicht auf das Dahinterliegende verbergen, doch nun stellt sich die Frage: Worauf? Wenn man versucht einen Blick über das Hindernis zu werfen, kann man lediglich verrostete Gitterstäbe und alte Wachttürme erkennen – die Gefühle von Gefangensein und Überwachung mischen sich. Und gerade diese Wahrnehmung sollte sich über unseren Besuch hinweg noch einmal verstärken.

Nachdem wir durch das mächtige Stahltor die Gedenkstätte betreten hatten, wurden wir freundlichst von 2 Zeitzeugen in einem der ehemaligen Stasibüros empfangen und kurzerhand begannen wir auch mit der Führung. Unsere Gruppe wurde zu den Kellern geführt, die von den Häftlingen „U-Boot“ genannt wurden. Und wie wir finden, trifft das auch genau zu: Diese fensterlosen Verließe, welche einem schon beim Eintreten das Gefühl geben, abgetaucht zu sein. Unsere Guides berichteten von den menschenunwürdigen Umständen, die damals dort vorherrschten, das Licht brannte Tag und Nacht und eine Heizung wurde erst später eingebaut, Häftlingskleidung gab es nicht. Die Haftbedingungen waren katastrophal – es gab sehr wenig Wasser, kaum Waschmöglichkeiten, richtige Sanitäranlagen, wie auch Hygiene waren nicht vorhanden. Und wenn man nicht durch sich ausbreitende Krankheiten gestorben war, drohte der Tod durch Verhungern oder körperliche Gewalt der Wärter.

 

 

Besonders erschreckend empfanden wir eine Zelle (wenn man das überhaupt so nennen darf), bei der die Gefangenen vor sich eine Tür und hinter sich eine Mauer hatten, was einer beklemmenden Breite von nur rund 40cm entsprach. Die gequälten Menschen konnten noch nicht einmal gerade stehen, da die Zelle nur rund 1,50m hoch war – als dann nach 1-2 Tagen die Gefangen herausgelassen wurden, fielen sie aufgrund von Schwäche und Versteifung einfach nur heraus.

Nach der Übernahme des Gefängnisses durch die Staatssicherheit im Jahre 1951 wurde körperliche Folter durch psychische „Zersetzung“ ersetzt. Die Gefangenen wurden nun durch monatelange Isolation und Schlafentzug zu Geständnissen gezwungen. Ein Verfahren, das in den kommenden Jahren noch perfektioniert werden sollte. Im Allgemeinen wussten die Gefangenen nicht, wo sie sich gerade befanden. Die Verhaftungen erfolgten meist plötzlich mit anschließendem Transport in einem fensterlosen, als Zivil-Lastwagen getarnten LKW. Dann wurden die Häftlinge in eine Garagenschleuse gefahren, in der über 20 Leuchtstoffröhren brannten, welche die seit mehreren Stunden Dunkelheit gewohnten Menschen irritieren sollten. Vernehmungen wurden meist nachts geführt, durch Schlaflosigkeit und Scheinanrufe der Vernehmer sollten die Häftlinge verunsichert und zu Geständnissen bewegt werden. Der ungeheure Apparat der Staatssicherheit, der gemessen an der Zahl der Einwohner der DDR der größte Geheimdienst bis jetzt sein soll, aber auch die ausgereiften, perfiden und abartigen Verhörmethoden sind für einen freiheitlich-demokratischen Menschen einfach nur undenkbar.

Was wir nicht wussten: Das Gefängnis wurde erst im Frühjahr 1990 endgültig befreit, da es versteckt in einem Sperrgebiet und einem Wohngelände für Mitarbeiter der Staatssicherheit lag. In der Zeit zwischen Mauerfall und der Übergabe konnte natürlich alles „sauber“ und ohne Spuren auf die dort angewendeten Grausamkeiten übergeben werden.

Besonders erschreckend und unverständlich ist: die Drahtzieher von Hohenschönhausen sind sich bis heute keiner Schuld bewusst, Folter wäre zu keinem Zeitpunkt angewendet worden und im Allgemeinen saßen in Hohenschönhausen lediglich Verbrecher ein, natürlich niemals Oppositionelle oder Regimekritiker, die zu einem Falschgeständnis gezwungen worden sind.

Nach den schockierenden Erlebnissen in Hoheschönhausen hatten wir am selben Tag noch die Möglichkeit Geschichte auf eine angenehmere Art zu erleben: Wir besuchten das Musical „Hinterm Horizont“. Mit Liedern von Udo Lindenberg wurde eine Liebesgeschichte erzählt, die die Mauer überlebte – es war ein wirklich gelungener Abend!

 

 

Zur Geschichte der DDR gehört neben der Stasi und der Mauer natürlich und vor allem das Leben der dort wohnenden Menschen. Um diesem ein wenig näher zu kommen und sich in den Alltag der DDR-Bürger einzufühlen, besuchten wir das  DDR-Museum. Bei einer einstündigen Führung, bei der wir den Guide mit unserem bereits vorhandenen, hohen Wissensstand beeindruckten, wurde uns die Lebensweise der DDR vorgestellt. Bei der wir auch auf Dinge trafen, die heute gar nicht mehr so anzutreffen sind: Was ist Dederon und was bedeutet Krusta?

Die vielen Mitmachattraktionen, wie zum Beispiel einen Fahrsimulator im Trabi und Alltagsgegenständen aus der DDR, wie damalige Modezeitschriften, Ranzen und Kleidung, die man alle berühren, durchblättern und ansehen konnte, ermöglichten ein Eintauchen in bereits vergangene Zeiten. Außerdem hat man auch noch einmal ein Gespür dafür bekommen, wofür die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind: für Freiheit, Demokratie und Einigkeit.

 

 

Robin Fichtner (10/1) und Marina Frisman (10/3)